Suizidprävention wirkt

Suizidraten weltweit gesunken – Prävention wirkt

Die weltweite Suizidrate ist seit 1990 deutlich zurückgegangen – besonders in einkommensstarken Ländern. Dennoch bleibt Suizid eine der häufigsten Todesursachen: Allein in Deutschland starben 2023 über 10.000 Menschen durch Suizid. Experten betonen die Bedeutung von Prävention, Entstigmatisierung und besserem Zugang zu psychosozialer Versorgung.

Ein Mann im dunkeln draußen neben einem Baum
Weniger Suizide weltweit – doch die Zahlen bleiben hoch: In Deutschland starben 2023 über 10.000 Menschen durch Suizid. ©picture alliance/dpa

Die globale Suizidrate ist in den letzten 3 Jahrzehnten deutlich gesunken – in einkommensstarken Ländern sogar etwas mehr als in Ländern mit vergleichsweise niedrigen bis mittleren Einkommen. Diese langfristig positive Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahlen weiterhin zu hoch sind. Allein in Deutschland starben 2023 über 10.000 Menschen an Suizid.

Um knapp 30% sind einer Auswertung zufolge die Suizidraten von 1990 bis 2021 im Schnitt in 102 Ländern gesunken. In einkommensstarken Ländern war der Rückgang der Suizidraten sogar etwas höher. 

Die Werte für Länder auf 5 Kontinenten wurden auf Basis der Datenbank der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gebildet. Ausgewertet hat die Daten ein internationales Team um Soeun Kim und Selin Woo vom Kyung Hee University College of Medicine in Seoul. In den 102 Ländern sank die Suizidrate demnach im Schnitt um 29,9% von 10,33 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr 1990 auf 7,24 im Jahr 2021 [1]. 

Als Gründe für den Rückgang der Suizidraten in Europa nennt das Team etwa die Förderung einer verantwortungsvollen Medienberichterstattung und die Stärkung sozial-emotionaler Kompetenzen bei Jugendlichen.

Holger Leerhoff vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg verweist unter anderem auf einen verbesserten Zugang zu psychiatrischer und psychosozialer Versorgung, die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und Präventionsprogramme. Diese Faktoren hätten in vielen Regionen positive Effekte gezeigt, sagte Leerhoff, der nicht an der Studie beteiligt war. 

Langfristiger Rückgang: Suizidraten weltweit gesunken

54 Länder der Auswertung gelten als einkommensstark. Hier gab es 1990 eine vergleichsweise hohe Suizidrate mit 12,68 Fällen pro 100.000 Einwohner, sie sank im weiteren Verlauf allerdings beträchtlich. Im Coronajahr 2021 wurden nur noch 8,61 Fälle registriert – 32,1% weniger. In Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen sank der Wert von 7,88 auf 5,73 im gleichen Zeitraum. Das ist ein Rückgang von 27,3%. Es kann allerdings unterschiedliche Definitionen von Suizid in den Ländern geben, was die Statistiken verzerren könne, erläutern die Forscher. 

Gleiches gilt für die gesellschaftliche Einstellung, diese zu melden. Stigmatisierung, religiöse Verbote und Kriminalisierung könnten gerade in Ländern mit vergleichsweise niedrigen bis mittleren Einkommen dazu führen, dass die Werte zu niedrig ausfallen, heißt es in der Studie. Zugleich aber steigen in diesen Ländern mit wachsendem Entwicklungsstand die Suizidraten. Die Forscher weisen auf Analysen hin, dass dies unter anderem auf die schnelle Urbanisierung zurückzuführen sei. 

Prognose bis 2050: Weiterer Rückgang möglich

Das Forschungsteam wagt eine Prognose der künftigen Suizidrate für die 102 Länder: Den Berechnungen zufolge könnte diese weiter langsam auf bis zu 6,49 Fälle je 100.000 Einwohner bis zum Jahr 2050 sinken. 

Aber die Wissenschaftler stellen in ihrer Studie heraus, dass es in bestimmten Ländern und innerhalb bestimmter Gruppen weiterhin eher Suizidtote geben könne. «Diese Ergebnisse legen daher nahe, dass wirksamere Strategien und Maßnahmen zur Senkung der Suizidsterblichkeit notwendig sind» – und zwar als kollektive weltweite Anstrengung.

Statistische Herausforderungen und gesellschaftliche Faktoren

Statistiker Leerhoff bewertet die Auswertung als «solide» und die Prognosemethodik als anerkannt. «Solche langfristigen Prognosen bergen jedoch naturgemäß Unsicherheiten, da sie unvorhersehbare Entwicklungen wie Wirtschaftskrisen, Pandemien oder gesellschaftliche Umbrüche nicht einbeziehen können», schränkte er ein. 

Lasse Sander vom Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war ebenfalls nicht an dieser Studie beteiligt. Er sagte zur Einschätzung, dass sich die beschriebenen Trends mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen deckten. 

Trotz positiver Trends: Suizid bleibt ein globales Problem

Aber diese festgestellte langfristig positive Entwicklung dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, «dass die Zahlen weiterhin zu hoch sind», betonte Sander. «Pro Jahr sterben mehr als 700.000 Menschen weltweit an Suizid. In Deutschland starben allein im Jahr 2023 über 10.000 Menschen an Suizid – das sind mehr als durch Verkehrsunfälle, Aids, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen», zitiert der Experte Zahlen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms. 

Hilfe bei Suizidgedanken: Unterstützung ist möglich

Die allermeisten Suizidversuche würden im Rahmen von vorübergehenden oder behandelbaren Krisensituationen stattfinden. «Wenn Sie an Suizidgedanken leiden, kann Ihnen professionell geholfen werden», sagte Sander. Dies könne bei lokalen Notfallambulanzen, Hausärzten oder anonym bei der Telefonseelsorge geschehen. Kinder, Jugendliche oder Eltern mit entsprechenden Familiensorgen könnten sich an die Nummer gegen Kummer wenden. 

Mache man sich diesbezüglich Sorgen um einen Menschen, «ist es hilfreich diese Person konkret auf mögliche Suizidgedanken anzusprechen und bei der Inanspruchnahme professioneller Hilfsangebote zu unterstützen», betonte Sander.


Quellen

dpa