Ganzheitliche Behandlung

PCOS besser erkennen und behandeln: Neue Leitlinie für Ärzte veröffentlicht

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) bleibt oft unerkannt. Eine neue medizinische Leitlinie soll die Diagnose verbessern und eine ganzheitliche Therapie ermöglichen – für mehr Lebensqualität.

Broschüre mit Patienteninformationen
PCOS betrifft rund zehn Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter. Die neue Leitlinie soll Diagnose und Behandlung deutlich verbessern. (peopleimages.com/stock.adobe.com)

Altdorf, Berlin – PCOS betrifft jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter. Die Hormonstörung führt oft zu Zyklusstörungen, unerfülltem Kinderwunsch und erhöhten Risiken für Diabetes sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Jetzt liegt erstmals eine umfassende S2k-Leitlinie vor, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) in Zusammenarbeit mit weiteren medizinischen Fachgesellschaften* entstanden ist. Damit erhalten Ärzte aktuelle Empfehlungen, die eine schnellere Diagnose, gezielte Therapie sowie Vorbeugung von Folgeerkrankungen und damit spürbar mehr Lebensqualität für die Betroffenen ermöglichen.

PCOS: Häufige Hormonstörung mit weitreichenden Folgen

PCOS ist eine der häufigsten Hormonstörungen bei Frauen und oft mit ernsthaften gesundheitlichen Risiken verbunden. „Es handelt sich um ein komplexes endokrinologisch, gynäkologisch und internistisches Krankheitsbild mit bisher unklarer Ursache“, erklärt Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke, leitende Endokrinologin an der DKD HELIOS Klinik Wiesbaden und Koordinatorin der Leitlinie. Die Stoffwechselstörung bewirkt, dass die Eierstöcke zu viele männliche Sexualhormone wie Testosteron produzieren, was zu hormonellem Ungleichgewicht, Zyklusstörungen und zystenähnlichen Bläschen an den Eierstöcken führen kann. Dieser Überschuss verursacht zudem häufig Symptome wie starke Körperbehaarung, dünner werdendes Kopfhaar und Übergewicht.

Neue Leitlinie: Fachgesellschaften legen gemeinsame Empfehlungen vor

„PCOS bleibt häufig unerkannt. Neben Zyklusstörungen, erhöhten männlichen Hormonen und unerfülltem Kinderwunsch steigt bei betroffenen Frauen auch das Risiko für weitere Erkrankungen: Typ 2 Diabetes, Schwangerschaftsdiabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Daher ist eine frühe Diagnose entscheidend“, ergänzt Professor Dr. med. Susanne Reger-Tan, Direktorin der Klinik für Diabetologie und Endokrinologie am Herz- und Diabetes-Zentrum NRW, Universitätsklinikum Ruhr-Universität Bochum und Mitkoordinatorin der Leitlinie.

Diagnose: Rotterdam-Kriterien präzisiert

Die Leitlinie präzisiert die Diagnostik gemäß den sogenannten Rotterdam-Kriterien. Demnach liegt ein PCOS vor, wenn mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt sind:

  • klinischer Hyperandrogenismus (nicht zwingend erhöhte männliche Hormone, aber sichtbare Symptome wie beispielsweise vermehrte Behaarung/Akne) und/oder biochemischer Hyperandrogenismus (erhöhte männliche Hormone)
  • Ovulatorische Dysfunktion: Störung der normalen Eizellreifung und/oder ein ausbleibender/unregelmäßiger Eisprung
  • Polyzystische Ovarmorphologie (PCOM), eine Veränderung der Eierstöcke, und/oder eine hohe Konzentration des Anti-Müller-Hormons (AMH), das in den Eierstöcken produziert wird und Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen
    „Die Symptome bei PCOS sind sehr ähnlich zu anderen Erkrankungen, beispielsweise der Schilddrüse, Tumoren oder des Cushing-Syndroms. Bei der Diagnose müssen behandelnde Ärzt*innen daher andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausschließen. Nur dann können wir die Diagnose PCOS zweifelsfrei sicherstellen“, so Jaursch-Hancke.

Begleiterkrankungen früh erkennen und gezielt behandeln

Die Leitlinie empfiehlt regelmäßige Untersuchungen auf Risikofaktoren und Begleiterkrankungen ausdrücklich: „Besonders wichtig ist die Überprüfung des Zuckerstoffwechsels beispielsweise mit einem oralen Glukosetoleranztest, da Frauen mit PCOS unabhängig vom Alter ein erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2 und Schwangerschaftsdiabetes haben. Dafür räumt die Leitlinie mit der weit verbreiteten Annahme auf, dass die Messung der sogenannten Insulinresistenz eine zentrale Bedeutung für Therapieentscheidungen hat. Es sollten außerdem regelmäßige Kontrollen von Gewicht, Blutdruck und Fettstoffwechsel durchgeführt werden, um rechtzeitig präventive und therapeutische Maßnahmen einzuleiten“, so Reger-Tan. Ärzt*innen sollten ebenso auf psychische Belastungen wie Depressionen, Angststörungen oder ein negatives Körperbild achten und dies frühzeitig in die Behandlungen einbeziehen.

Ganzheitliche Therapie: Lebensstil und Medikamente kombinieren

Zur Behandlung des PCOS empfiehlt die Leitlinie eine multimodale und individuelle Therapie. Im Mittelpunkt stehen insbesondere Lebensstiländerungen wie regelmäßige körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und gesunde Ernährung. „Es ist wichtig, die Betroffenen erst einmal dort zu unterstützen, wo sie selbst aktiv werden können. Je nach Symptomprofil und Kinderwunsch lassen sich diese Maßnahmen gezielt mit medikamentösen Therapien wie orale Kontrazeptiva, Metformin oder antiandrogene Medikamente ergänzen“, erklärt Jaursch-Hancke. Damit dieser Ansatz greift, müsse die Behandlung fachübergreifend erfolgen. „Nur im Team aus Endokrinologie, Gynäkologie, Diabetologie und Psychologie können wir Frauen mit PCOS optimal behandeln und Komplikationen vorbeugen.“


Quellen

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie