Leben mit Krebs
Eine neue Studie zeigt: Eine stabile, glückliche Partnerschaft schützt Brustkrebspatientinnen besser vor kognitiven Chemotherapie-Folgen als andere soziale Bindungen. Oxytocin könnte eine Rolle spielen.

Eine neue Studie zeigt: Brustkrebspatientinnen mit einer erfüllten Partnerschaft sind besser vor kognitiven Nebenwirkungen der Chemotherapie geschützt als Frauen mit weniger stabilen sozialen Bindungen.
Es ist bekannt, dass Chemotherapien oft zu kognitiven Einschränkungen führen. Das Phänomen ist auch als „Chemobrain“ bekannt. Weniger bekannt dürfte sein, dass eine erfüllende Partnerschaft diese unangenehmen Nebenwirkungen lindern kann. Darauf deuten jetzt die Ergebnisse einer Studie der Ohio State University mit 48 Brustkrebspatientinnen hin.
In der Studie untersuchte das Team um Seniorautorin Leah Pyter den Zusammenhang zwischen Paarzufriedenheit und chemotherapiebedingtem kognitivem Abbau. So absolvierten die Teilnehmerinnen zum einen objektive Tests zur Bewertung des verbalen Lernens, der Wortassoziation und des Kurzzeitgedächtnisses. Zum anderen gaben sie in Fragebögen subjektiv empfundene Veränderungen ihrer Konzentration, ihres Gedächtnisses und ihrer geistigen Klarheit an. Außerdem berichteten sie, wie sich etwaige Beeinträchtigungen auf ihre Lebensqualität auswirkten. Parallel dazu wurden sie nach ihren intimen Partnerschaften und sozialen Beziehungen gefragt.
Partnerschaft schützt vor kognitiven Nebenwirkungen der Chemotherapie
Tatsächlich zeigte sich, dass soziale Faktoren einen Einfluss auf kognitive Veränderungen haben. Je zufriedener die Patientinnen mit ihrer Beziehung waren, desto besser waren sie im Verlauf der Chemotherapie vor kognitivem Abbau geschützt. Eine gute soziale Unterstützung, zum Beispiel durch Familie oder Freunde, wirkte ebenfalls schützend, aber nicht so stark wie eine glückliche, intime Paarbeziehung. „Es gibt viele Krebsbehandlungen, aber nur sehr wenige Behandlungen für die verhaltensbezogenen Nebenwirkungen von Krebs“, betont Leah Pyter. „Wir müssen daher verstehen, wie diese entstehen, um wirksame Interventionen gegen die Nebenwirkungen entwickeln zu können.“ Mögliche Interventionen könnten etwa Gruppen- oder Paartherapien sein.
Chemotherapie senkt Oxytocinspiegel und beeinflusst Kognition
Da das „Kuschelhormon“ Oxytocin bei sozialer Bindung und Kognition eine Rolle spielt, werteten die Forschenden außerdem den Oxytocinlevel anhand von Blutproben der Patientinnen zu drei verschiedenen Zeitpunkten aus. Anders als erwartet zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Oxytocinspiegel, kognitiver Funktion und sozialen Beziehungen.
Die Auswertungen zeigten aber, dass das Hormon und sein Rezeptor durchaus von der Chemotherapie beeinflusst wurden. Der Oxytocinspiegel im Blut sank nämlich während der Chemotherapie signifikant ab und kehrte erst nach der Behandlung auf den Ausgangswert zurück. Die Studienautoren vermuten, dass die Chemotherapie den Hypothalamus, also die Hirnregion, in der Oxytocin produziert wird, beeinflussen könnte – und hoffen diesen biologischen Mechanismus eines Tages für die Reduzierung von chemotherapiebedingten Nebenwirkungen wie das Chemobrain zu nutzen.
Von Beatrice Hamberger