Krankenkassen
Für viele Lipödem-Patientinnen ist es ein Durchbruch: Die Krankenkasse trägt künftig unter bestimmten Bedingungen die Kosten für eine Fettabsaugung – unabhängig vom Stadium der Erkrankung.

Krankhaft vergrößerte Fettzellen sammeln sich in den Beinen, manchmal auch in den Armen an: Das passiert bei der Krankheit Lipödem, die fast ausschließlich Frauen betrifft.
Die Fettverteilungsstörung belastet Betroffene längst nicht nur beim Blick in den Spiegel. Denn die betroffenen Körperregionen reagieren sehr empfindlich auf Druck und Berührungen. Ein Beispiel: «Es macht wahnsinnig Schmerzen, wenn sich Kinder auf Ihren Schoß setzen», sagt Peggy Bergert, Zweite Vorsitzende der „Lipödem Hilfe Deutschland“.
Nun gibt es eine gute Nachricht für Lipödem-Patientinnen. Unter bestimmten Bedingungen trägt die gesetzliche Krankenversicherung künftig die Kosten für Fettabsaugungen, die die Beschwerden lindern – und zwar unabhängig vom Stadium der Erkrankung. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken beschlossen. Die wichtigsten Fragen im Überblick:
Lipödem: Schmerzhaft, sichtbar – und oft missverstanden
Peggy Bergert weiß, wie stark die Erkrankung den Alltag einschränkt – aus ihrer eigenen Erfahrung und durch die Schilderungen anderer Betroffener. «Wenn zum Beispiel aufgrund von Lipödem Oberschenkel oder Gesäß sehr ausgeprägt sind, haben Sie Probleme, sich in der Öffentlichkeit hinzusetzen. Stühle mit Armlehne sind da ganz böse», sagt Bergert. Vor allem sind da aber die Schmerzen – oft begleitet von Spannungs- und Schweregefühlen in den betroffenen Gliedmaßen.
Lipödem-Patientinnen sind zudem immer wieder mit Vorurteilen und Stigmatisierung konfrontiert. Denn viele Menschen wissen nicht, dass die Krankheit überhaupt existiert – und dass Bewegung und eine Gewichtsabnahme gegen die krankhaften Ansammlungen der Fettzellen nichts ausrichten können. «Teilweise werden die Leute angesprochen, wenn sie Eis essen», sagt Peggy Bergert. Die Erkrankung bedeutet für Betroffene oft auch eine psychische Belastung.
Therapie ohne OP: Was konservative Maßnahmen leisten können
Die Beschwerden lindern: Darauf zielt die konservative Therapie ab.
- Dazu gehört etwa eine manuelle Lymphdrainage, «zwischen ein- bis dreimal die Woche», wie Peggy Bergert sagt.
- Ein weiterer Baustein sind Kompressionsstrümpfe bzw. -strumpfhosen, die Patientinnen idealerweise täglich tragen sollten.
- Auch Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und Hautpflege sind Teile der konservativen Therapie.
Liposuktion: OP zur Entfernung des Fettgewebes
All das bringt keine Besserung? Dann gibt es die Möglichkeit, krankhaftes Fettgewebe durch eine Operation – eine sogenannte Liposuktion – zu entfernen. Bislang hatten nur Patientinnen mit schwerem Lipödem (Stadium III) Anspruch auf die Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
In der Vergangenheit haben also viele Patientinnen selbst für ihre Operationen bezahlt. «Als Durchschnittswert kann man ungefähr 6.000 Euro nennen als Komplettpaket für eine OP», sagt Peggy Berger. «Es gibt viele, die in Kredite dafür aufgenommen haben und die dann jahrelang abzahlen.» Ein Eingriff reicht dabei allerdings oft nicht aus.
Fettabsaugung als letzter Ausweg – bisher privat finanziert
Unter bestimmten Voraussetzungen trägt die gesetzliche Krankenversicherung künftig die Kosten für die Absaugung des krankhaft vermehrten Fettgewebes – und zwar unabhängig vom Stadium der Erkrankung. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen.
So muss über einen Zeitraum von sechs Monaten eine konservative Therapie durchgeführt worden sein – ohne eine Linderung der Beschwerden, so der G-BA.
- Bei einem Body-Maß-Index (BMI) von über 35 soll zunächst eine Adipositasbehandlung erfolgen, auch bei einem BMI zwischen 32 und 35 gibt es Einschränkungen.
- Peggy Bergert zufolge werden daher längst nicht alle Lipödem-Patientinnen von der neuen Regelung profitieren können. «Die stark Betroffenen, die werden sie leider nicht in Anspruch nehmen können, weil sie die Voraussetzung nicht einhalten oder erreichen können, selbst mit besten Abnahmen.»
Und auch für alle Frauen, die bereits Lipödem-Eingriffe hatten, gibt es schlechte Nachrichten: Wiederholungs-OPs sind von der Kostenübernahme ausgeschlossen. Dabei müssen Betroffene mitunter Jahre später noch einmal auf den OP-Tisch. «Es bleiben immer krankhafte Fettzellen zurück, die werden sich wieder vergrößern – mit optischen und schmerztechnischen Auswirkungen», sagt Peggy Bergert.
Was Patientinnen jetzt beachten müssen
Der Beschluss des G-BA wird nun vom Gesundheitsministerium geprüft. Erst wenn er im Anschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht wird, tritt er offiziell in Kraft. Damit die Eingriffe als Kassenleistungen abgerechnet werden können, müssen zudem bis dahin Abrechnungsziffern festgelegt werden. Der G-BA geht davon aus, dass das bis zum 1. Januar 2026 der Fall sein wird.
Wichtige Fragen zur Behandlung und Kostenübernahme
- Was ist ein Lipödem und wie äußert es sich?
- Wie wird ein Lipödem bisher behandelt?
- Werden künftig alle Lipödem-Patientinnen von der Krankenkasse unterstützt?
- Wie hoch sind die Kosten für eine Liposuktion bei Lipödem?
- Gibt es Hoffnung auf eine Kostenübernahme für Wiederholungs-OPs?
Ein Lipödem ist eine schmerzhafte Fettverteilungsstörung, die fast ausschließlich Frauen betrifft. Betroffene leiden unter schmerzhaften und berührungsempfindlichen Fettansammlungen, oft verbunden mit Spannungs- und Schweregefühlen in den Beinen.
Die konservative Therapie umfasst manuelle Lymphdrainage, Kompressionsstrümpfe, Bewegungstherapie, Ernährungsberatung und Hautpflege. Bei ausbleibender Besserung kann eine Liposuktion zur Entfernung des krankhaften Fettgewebes durchgeführt werden.
Nein, die Kostenübernahme der Krankenkasse für eine Liposuktion ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Eine konservative Therapie muss über sechs Monate ohne Erfolg durchgeführt worden sein. Bei starkem Übergewicht (BMI >35) ist zunächst eine Adipositas-Behandlung erforderlich.
Die Kosten für eine Liposuktion können bis zu 6.000 Euro betragen. Bisher mussten viele Patientinnen diese Kosten selbst tragen, da die Krankenkassen nur in schweren Fällen (Stadium III) die Kosten übernommen haben.
Aktuell sind Wiederholungs-OPs von der Kostenübernahme durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Betroffene müssen daher weiterhin mit den Kosten für weitere Eingriffe rechnen, wenn das Fettgewebe erneut wächst.
Quellen
dpa, Ricarda Dieckmann