Zwischen Umwelt und Versorgung
Eine geplante EU-Abwasserrichtlinie könnte unbeabsichtigte Folgen für die Arzneimittelversorgung haben: Hersteller warnen, dass lebenswichtige Medikamente wie Tamoxifen oder Metformin vom Markt verschwinden könnten. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) fordert eine Lösung, die sowohl den Gewässerschutz als auch die Versorgungssicherheit gewährleistet.

Eine EU-Abwasserrichtlinie, die den Gewässerschutz fördern soll, sorgt für Aufregung: Die Richtlinie sieht vor, dass Pharmahersteller – nach dem Verursacherprinzip – die Kosten für zusätzliche Reinigungen in Klärwerken mittragen, um Mikroschadstoffe aus dem Abwasser zu filtern. Dagegen gibt es Widerstand: Arzneimittelhersteller haben bekannt gegeben, dass verschiedene Medikamente dann nicht mehr wirtschaftlich hergestellt werden könnten und dass sie die Medikamente eher vom Markt nehmen würden, wenn es bei der Richtlinie bleibt. Betroffen wären insbesondere das Brustkrebsmedikament Tamoxifen, das Antibiotikum Amoxicillin und das Antidiabetikum Metformin.
Gefährdung der Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten
„Wenn die Pharmahersteller ihre Drohung wahrmachen, wird es zu einer echten Versorgungskrise kommen. Die betreffenden Arzneimittel gehören zu den von der Weltgesundheitsorganisation WHO definierten ‚Essential Drugs‘, ohne die eine leitliniengerechte Therapie in Zukunft nicht mehr möglich wäre“, warnt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM. „Als wissenschaftliche Fachgesellschaft ist es unsere Aufgabe, auf die absehbare Verschlechterung in der medizinischen Versorgung hinzuweisen und alle Beteiligten aufzufordern, hier sinnvolle Lösungen zu entwickeln. Die beiden Rechtsgüter ‚Gewässerschutz‘ und ‚Verfügbarkeit von Arzneimitteln‘ dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Kostensteigerung und Qualitätseinbußen sind potenzielle Folgen
Besonders betroffen von den Kosten für die Abwasserreinigung sind Generika, also günstige Nachahmerpräparate, die einen Marktanteil von etwa 80% haben. Wird ein kostengünstiges Medikament vom Markt genommen, müssten Millionen Patienten auf teurere Alternativen umsteigen. Die Arzneimittelkosten würden weiter steigen.
Die DEGAM weise in aller Deutlichkeit darauf hin, dass ein Wegfall von lebenswichtiger Medikamente wie Tamoxifen oder Metformin nicht nur eine Kostensteigerung zur Folge hätte, sondern auch die Qualität der medizinischen Versorgung verschlechtern würde, kommentiert Dr. Günther Egidi, Präsidiumsmitglied der DEGAM.
Arzneimittelversorgung und Umweltschutz!
Vor diesem Hintergrund setzt sich die DEGAM für eine ausgeglichene Bewertung der beiden wichtigen Bereiche – Gewässerschutz und Verfügbarkeit von Arzneimitteln – ein: „Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die gewährleistet, dass solche wichtigen Arzneimittel verfügbar bleiben – und zwar ohne dass Regelungen zum Umwelt- und Gewässerschutz in toto wieder gekippt werden“, so Martin Scherer abschließend.
Quellen
Pressemeldung „Umweltschutz und Arzneimittelverfügbarkeit ausbalancieren“ vom 04.06.2025, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM)